LANDTAGSREDE 17. Juni 2021 Thomas Hölck: Schleswig-Holstein braucht ein intelligentes und nachhaltiges Flächenmanagement TOP 27+56: Ansiedlungsperspektiven für Unternehmen stärken – Vorrang der gewerblichen Nutzung sicherstellen und Landesprogramm zum Schutz der Böden und zum nachhaltigen Flächenmanagement (Drs. 19/3071, 19/3020)
,,Wir stoßen beim Flächenverbrauch schon lange an unsere Grenzen. Das Problem ist nicht neu und wird schon länger adressiert. Insbesondere unter dem Eindruck von Klimawandel, Bedarf an bezahlbarem Wohnraum und Wirtschaftswachstum. Täglich werden in Deutschland ca. 100 Hektar wertvoller Freifläche in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt. Dieser Verbrauch gefährdet die Biodiversität und verschärft existierende Umweltprobleme. Das bundesweite Nachhaltigkeitsziel hat bereits eine Richtung vorgegeben: Bis 2030 soll die Flächeninanspruchnahme auf unter 30 Hektar pro Tag gesenkt werden. Die Landesregierung hat in diesem Rahmen ein Ziel von 1,3 Hektar pro Tag für Schleswig-Holstein ausgegeben. Doch dahin ist es noch ein weiter Weg.
Das Landesprogramm geht darauf zunächst auch ein. Wir sind zwar von 8,5 Hektar täglich im Jahr 2001 auf 3,2 Hektar in 2018 gesunken, liegen aber damit noch deutlich hinter den Zielen zurück. Und dieses zu erreichen, wird wirklich schwer. Die Ansiedlungsstrategie für innovative Unternehmen, die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie, die Schaffung von mehr Wohnraum – das sind nur einige der großen Herausforderungen dieser Tage, die mit dem Flächenverbrauchsziel konkurrieren. Überregionale Infrastrukturprojekte, der Ausbau unserer Energieversorgung und entsprechende Netze, all das steht dem ambitionierten Ziel der Landesregierung entgegen. Wir brauchen Flächen für die Land- und Forstwirtschaft, für den Naturschutz und den Abbau von Rohstoffen; wir wollen mehr Windenergie und Photovoltaik; wir wollen gut und mit immer mehr Platz wohnen, wir wollen ein gut ausgebautes Straßennetz und wir wollen, dass sich bei uns Gewerbe und Industrie ansiedeln. All diese Interessen stehen gegeneinander und diese Interessenkonflikte müssen aufgelöst werden. So geht zum Beispiel die zunehmende Umwandlung von Flächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen überwiegend zu Lasten der Landwirtschaft.
Von 1992 bis 2018 ist der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsflächen um fast 28 Prozent gestiegen von 10,5 % auf 13,4 %. In derselben Zeit ist der Anteil der landwirtschaftlich 1 genutzten Fläche von 73,5 % auf 68,7 % gesunken. Das zeigt die hohe Flächenkonkurrenz in Schleswig-Holstein. Vergrößert man den einen Bereich, führt das unweigerlich zu Verlusten in einem anderen. Deshalb ist ein nachhaltiges Flächenmanagement, mit dem man alle Belange abwägt, so wichtig. Ich spreche diese Dinge an, um die große Herausforderung zu beschreiben. Die Landesregierung setzt hier die richtigen Ziele, ich bin aber skeptisch, wie diese erreicht werden sollen. Wir benötigen insbesondere ein nachhaltiges und intelligentes Flächenmanagement. Die Wiedernutzung von Brachflächen und Baulücken sowie qualitative Nachverdichtung. Wir müssen öffentliches Geld stärker in die Attraktivität der vorhandenen Innenstädte investieren und die Erschließung von Neubaugebieten an Ortsrändern verringern. Dabei kommt es insbesondere auf die Kommunen an. Sie brauchen Unterstützung vom Land, denn es sind zumeist die erhofften Steuereinnahmen, die Anreize für Gemeinden bieten, Bauland auszuweisen. Ein nachhaltiges Flächenmanagement bedeutet auch, den Entscheider*innen vor Ort die richtigen Rahmenbedingungen zu bieten Weiterhin müssen auch die Anreize für Unternehmen richtig gesetzt werden. Kluges Energiemanagement und Energieeffizienzsteigerung, sparsamer Flächenverbrauch und nachhaltiges Flächenmanagement müssen entsprechend belohnt werden. Schließlich findet diese Debatte in einer Zeit großer Ungewissheit statt.
Es gibt keine verlässlichen Zahlen über den tatsächlichen Flächenbedarf in den kommenden Jahrzehnten. Ich fordere die Landesregierung auf, hier mit großem Ehrgeiz neue Prognosen zu entwickeln. Die Fortentwicklung eines Katasters ist dabei ein guter erster Schritt. Pilotprojekte reichen aber nicht aus. Die Ziele des Bundes sind ambitioniert und notwendig, das Landesprogramm grundsätzlich richtig. Ich habe an dieser Stelle die großen Herausforderungen hervorgehoben, an denen diese Ziele scheitern können. Dinge, die nach meiner Meinung nicht ausreichend thematisiert wurden. Neben dem Landesprogramm sind noch viele weitere Maßnahmen notwendig, die SPD-Fraktion hat dazu auch bereits die richtigen Ideen, die wir in den Ausschüssen gerne diskutieren wollen.“
Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek